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ie Nacht war zwar nicht so schlimm, wie befürchtet. Trotzdem sind wir froh, als wir die Tupperdose verlassen dürfen. Im Haupthaus gibt es ein leckeres Frühstück mit Blick auf den Myvatn.
Leider ist das Wetter wieder umgeschlagen und inzwischen nasskalt und grau. Heute wollen wir als erstes das vulkanische Kraftfeld sehen.
Mit Hilfe des Reiseführers ist das Solfatarenfeld „Námaskarð“ dann auch schnell gefunden. Kaum wollen wir aussteigen trifft uns der Kälteschock. Es ist eiskalt. Wir ziehen zwei Jacken übereinander, Handschuhe, Schal, Mütze und bibbern immer noch. Egal, da müssen wir durch, wenn wir was sehen wollen.
Schon vom Parkplatz aus, sehen wir: die ganze Gegend hier leuchtet in kräftigen Gelb- und Orange- und Brauntönen. Genauso stell ich mir den Mars vor! Olfaktorisch jedoch eher die Hölle. Es stinkt. Denn das Gebiet besteht aus einer Vielzahl unterschiedlicher Thermalquellen, kochender Schlammtümpel und brodelnder Schlammtöpfe. So blubbert es überall vor sich hin und es stinkt unfassbar nach Schwefel.
Weiter hinten gibt es brennende Schlote (Fachausdruck Solfatare), die weißen Dampf speien. Faszinierend! Trotz der Hitze unterhalb der Oberfläche, ist es oben eiskalt.
Als es auch noch anfängt zu regnen, geben wir auf. Vielleicht haben wir in Krafla mehr Glück??
Etwa acht Kilometer nördlich von Námaskarð befindet sich der Vulkan Krafla. Zunächst fahren wir an einem Geothermalkraftwerk vorbei. Riesige lange Leitungen mit heißem Dampf ziehen sich durch die gesamte Gegend. Nicht schön, aber irgendwie beeindruckend.
Wir fotografieren die Dinger aber nicht, denn wir wollen nicht wieder in den eiskalten Regen. Als wir dann am Fuße des Geothermalkraftfeldes Krafla sind, regnet es inzwischen in Strömen. Die Tempratur neigt sich Richtung Gefrierpunkt, ebenso wie unsere Stimmung. Nasse Touristen rennen zu ihren Autos. Wollen wir da raus? Nein! Definitiv nein!!! "OMG...sind wir Memmen"... mit dieser traurigen aber sehr wahren Erkenntnis, beschließen wir, nicht zu erfrieren und wieder zu fahren.
Vielleicht wird es ja im Osten besser?! Wir fahren durch die schöne Lavawüste. Zumindest glauben wir das. Denn wir sehen nur Nebel. Also nichts.
Eigentlich hatte wir geplant in Egilsstaðir einen Abstecher in die Ostfjorde zu machen. Aber es gießt in Strömen. Also reicht unser Wille nur noch dazu, in Egilsstaðir ein Café zu suchen. Guter Plan. Zwei Latte Macchiato und ein Sandwich später, geht es wieder auf die Ringstraße Richtung Höfn. Irgendwann haben wir die Wahl: zwischen der Route, die uns das Navi empfiehlt und einem Weg durch die Pampa. Unschlüssig stehen wir an der Kreuzung. Hier kämpfen sicherer Weg (Navi) und eine Stunde weniger Fahrzeit gegeneinander. Allerdings sitzen wir seit Stunden im Auto. Der Hintern tut weh - und die Fahrt durch das Mistwetter macht nicht wirklich Spaß. Mit anderen Worten: wir probieren den schnelleren Weg. Und merken uns sicherheitshalber die Notfall-Telefonummer auf dem Schild. Es gäbe also einen Plan B.... okay vorausgesetzt, dass wir ein Handynetz haben.
Tatsächlich ist die neue Strecke traumhaft schön. Bei Nebel und Regen fahren wir auf einer schmalen Straße durch Berge an unzähligen Wasserfällen und noch mehr Schafen vorbei. Wir bedauern das gruselige Wetter – aber da kann man eben nichts machen. An der Küste geht es wieder auf die Ringstraße. Die schlängelt sich nun am Meer entlang. „Der Regen wird heller," behaupte ich voller Hoffnung. Aber das ist wohl eher Wunsch statt Wirklichkeit. Es bleibt grau, nass und dunkel.
In Höfn haben wir ein Zimmer im Apothek Guesthouse. Nach Sightseeing ist uns heute nicht und wir wollen uns nur noch im Warmen ein bisschen ausruhen. Als wir im Guesthouse eintreffen, finden wir an der Rezeption einen Zettel mit einer Telefonnummer. Diese sei bei Bedarf oder auch zum Check In anzurufen. Klappt auch ganz gut. Die Besitzerin kommt nach wenigen Minuten. Wir warten so lange im wenig ansprechenden Aufenthaltsraum. Hier gibt es nur das Nötigste: Tische, Stühle – aber immerhin eine Thermoskanne mit Kaffee.
Das Zimmer ist im gleichen Stil: weiß, karg, lieblos. Erinnert stark an ein Krankenhaus. Trotz heißem Kaffee wird uns heute nicht mehr richtig warm. Abends gehen wir ins Z Bistro. Es gibt es für Chris einen Angus Burger, für mich eine Langusten Pizza – und natürlich das obligatorische Viking. Alkohol soll ja gegen Kälte helfen. Leider können wir uns soviel Bier, wie wir bräuchten, um warm zu werden, nicht leisten...
Die Nacht im kargen, krankenhausähnlichen Zimmer ist soweit in Ordnung. Das Frühstück nicht. Es ist alles billig: Toasts, günstige Wurst, einfacher Käse. Für 160 Euro/Nacht hätten wir uns wirklich mehr erwartet. Immerhin können wir gleich gehen, da wir am Vortag bezahlt hatten und eh keiner an der Rezeption ist. Bevor wir Höfn verlassen, schauen wir uns wenigstens den kleinen Hafen an. Er ist wenig spektakulär – aber nett.
Dann geht es weiter zum Gletschersee Jökulsárlón – mein absolutes Highlight. Bereits von weitem sehen wir Autos. Gut! So kann man in Island wenigstens keine Sehenswürdigkeit verpassen. Einfach den (Massen) Touri-Ansammlungen folgen. Wenn mir allerdings noch mal jemand erzählt, er liebe in Island die Einsamkeit... na ja, auch egal.
Der See Jökulsárlón ist der bekannteste und größte einer Reihe von Gletscherseen in Island. Er liegt am Südrand des Gletschers Vatnajökull.
Wir finden einen Parkplatz und stapfen zum See. Ist trotz des (leider) grauen Wetters ziemlich beeindruckend! Der große Gletschersee Jökulsárlón ist ein einzigartiges Naturereignis. Die darauf treibenden Eisberge haben sich von einer Gletscherzunge des Vatnajökull abgelöst. Und schillern tatsächlich in unterschiedlichen Farben: Blau von den Kristallen im Eis, Schwarz von vulkanischer Asche. Der See hat eine direkte Verbindung zum Meer – darüber führt die eine Brücke (Ringstraße).
Wie alle anderen Touris aus, peinigen wir begeistert die Fotoapparate. Sogar eine Robbe lässt sich blicken (aufgrund der Lichtverhältnisse und des strengen Fotowächters Chris war das Bild leider untauglich). Eigentlich hatte ich vor, mit dem Boot rauszufahren und Eisberge zu umrunden. Das Boot stellt sich allerdings als Amphibienfahrzeug heraus, das vom Land begehbar ist und in den See fährt. Es kommt nicht wirklich viel näher an die Eisberge heran, so beschließen wir, es sein zu lassen. Mit dem kleinen Zodiak hätten wir mehr Spaß gehabt, aber das war schon ausgebucht.
Nach einem Kaffee wollen wir ans Meer. Denn der See spült kleine Eisberge aufs Meer. Diese glänzen im Sonnenlicht, werden von den Wellen umspült. Die kleineren werden angeschubst und tanzen auf den Wellen bzw. am schwarzen Lavastrand. Unfassbar schön!
Hier sind auch deutlich weniger Touristen, was einerseits am starken Wind liegen mag, andererseits gilt der Jökulsárlón als Highlight und nicht der Strand. Beim Fotografieren muss man aufpassen: das Meer ist tückisch. Immer wieder kommen große Wellen, die versuchen unsere Füße zu erwischen. So bleiben wir in Bewegung und uns wird immerhin nicht so schnell kalt ;-) Wir können uns kaum losreißen, aber irgendwann sind wir doch so durchgefroren, dass wir unsere Luxusunterkunft aufsuchen.
In der Nähe des Skaftafell-Nationalpark haben wir uns einen richtigen Edelschuppen geleistet, zumindest was den Preis angeht. Okay, eigentlich ist das Fosshotel Glacier Lagoon eher ein Businesshotel, doch es ist schön eingerichtet, gemütlich und wir sind zufrieden. Weil das Wetter aber grade okay ist (okay = grau ohne Regen / nicht okay = grau mit Regen / besch... = dunkelgrau mit Eisregen und Wind), beschließen wir noch in den Skaftafell-Nationalpark zu fahren.
Vom Parkplatz aus geht es rechts zu Wasserfall Svartifoss – links zum Gletscher Vatnajökull.
Chris will unbedingt zum Wasserfall, also stapfen wir los. Es geht bergauf, meine Laune bergab. Wir haben bisher so viele Wasserfälle gesehen, dass ich nicht sonderlich motiviert bin, für einen weiteren irgendwelche Anstrengungen auf mich zu nehmen. Doch als wir von weitem die Wassermassen vor dem dunklen Gestein sehen, weiß ich, es hat sich gelohnt. Auf der Aussichtsplattform ist erstaunlich wenig los. Der Svartifoss (schwarzer Wasserfall) ist umgeben von dunklen Basaltsäulen, die wie die Orgelpfeifen aneinandergereiht, den Wasserfall einrahmen. In der Mitte stürzt sich das Wasser aus 20 Metern in die Tiefe.
Inzwischen ist der letzte freundliche Lichtstrahl, der das Grau ab und zu in ein freundliches Hellgrau verwandelt, verschwunden und es fängt an leicht zu regnen. Trotzdem wollen wir zum Gletscher Vatnajökull, dem größten Gletscher Islands und sogar dem größten Europas (außerhalb der Polargebiete).
Seit Wochen freuen wir uns auf den riesigen Gletscher – zumal es der erste ist, den ich live sehe. Doch jetzt gehen wir nicht auf strahlendes Weiß vor blauem Himmel zu (so hatte ich mir das aus irgendeinem Grund vorgestellt), sondern auf eine graue Masse – sozusagen aufs Nichts. Es ist absolut surreal: die großen Eismassen sind mit Lava-Asche durchzogen, davor graues Gestein und ein graues Gewässer. Hatte ich schon die Farbe des Himmels erwähnt?
Die gesamte Szenerie hat deutlich was von Mordor aus "Herr der Ringe". Dazu kommt, dass wir zum ersten Mal in diesem Urlaub völlig alleine an einem Naturereignis in Island sind. Die Einsamkeit trägt sicherlich dazu bei, dass wir uns fühlen, als seien wir in einer völlig anderen Welt... Wir gehen steinauf – steinab, untersuchen den gruseligen See nach möglichen Spuren von „Gollum“, machen viele Fotos und entdecken tatsächlich irgendwann die nächsten herannahenden Besucher.
Abends gehen wir im Hotel essen. Wir sind ja inzwischen an die schweineteuren Preise gewöhnt und gönnen uns ein 3-Gänge Menü, mit Fisch, Fleisch und allem drum und dran. Eines muss man sagen: es ist zwar alles sehr preisintensiv, aber es ist wirklich lecker. Wir hatten im Vorfeld gehört, das isländische Essen sei teuer und schlecht, aber tatsächlich waren wir sehr angenehm über die Qualität und den Geschmack überrascht.