A lle Bilder, die wir von Island gesehen hatten, zeugten von großartiger Landschaft und vor allem von Einsamkeit. Wer zum „Golden Circle“ will, sollte letzteres ganz schnell vergessen! Schon auf dem Weg dorthin werden wir misstrauisch: Die Autos fahren schon fast Kolonne. Ob es daran liegt, dass Sonntag ist oder ob immer so viele Touris da sind, wissen wir nicht. Aber überall ist es erstaunlich voll.
Zuerst geht es für uns (wie für alle anderen auch) zum Thingvellir Nationalpark, ein landschaftlich schöner Ort mit historischer Bedeutung. Hier wurden ab 930 n.Chr. traditionelle Versammlungen abgehalten, (isländisch" Þingvellir" dabei bedeutet "Þing" so etwas wie„Thing, Volksversammlung - "vellir" kann mit Ebene übersetzt werden). Diese Ebene der Versammlungen gilt (nach denen in Griechenland und Rom) als eines der ältesten Parlamente. Im Jahr 1000 wurde hier die Annahme des Christentums beschlossen und 1944 wurde hier Island zur Republik ausgerufen. Durch die vielen Wolken und den dunklen See Thingvellavatn, mit seinen vulkanischen Inseln, hat die gesamte Szenerie wirklich etwas Magisches.
Richtig passend dazu, gibt es eine kleine Kirche, in der an diesem Tag sogar eine Taufe stattfindet.
Wir fahren weiter zum Gulfoss, der wohl zu den bekanntesten Wasserfällen Islands gehört. Leider ist auch hier die Hölle los. Allerdings kommt die Sonne raus und der tosende Wasserfall, der sich in mehreren Kaskaden in den Canyon ergießt, ist einen Besuch allemal wert. Natürlich machen wir es, wie alle anderen auch: Wir bleiben ständig stehen und peinigen unsere Fotoapparate ...klick klick klick! Um sicher zu gehen, dass auch alles drauf ist, kommt anschließend noch das Handy zum Einsatz und ein kleiner Film kann auch nicht schaden... ;-)
Zurück beim Info Center, sind wir beide fasziniert vom Gletscher, den wir von weitem sehen können. Wir wollen näher ran. Chris hat die Idee, dass wir jetzt mal testen, wie weit wir auf der F35 kommen (eigentlich sollten ab Gullfoss nur 4x4 Fahrzeuge diese Straße befahren). Nach 20 Minuten sind wir noch nicht wirklich näher am Gletscher – aber ein großes Schild verkündet das Verbot ohne 4x4 weiter zu fahren. Ich fürchte mich vor Islands Strafen und Chris fürchtet sich vor mir ;-). Wir drehen etwas lustlos um und fahren zum Geysir.
Schon von weitem sehen wir den Strokkur Geysir seinen Dampf in die Welt hinaus spuken. Dabei begleitet von „Ahhs“ und „Ohhhs“ der drumrum stehenden Touristen. Wir gehen zuerst zu den kleinen dampfenden Mini-Geysire, die still vor sich hin dampfen und immerhin satte 80-100 Grad haben. Dann geht’s zum Geysir, der sich nicht lumpen lässt und alle paar Minuten kräftig spukt. Mal mehr, mal weniger, mal eine Doppelfontäne. Klar ist es eine völlige Touri-Attraktion und hat gar nichts mehr mit den zu tun, was man sich so immer vorgestellt hat – trotzdem lohnt sich das (Natur-) Schauspiel. Nachdem wir auch ein paar „Ahhs“ und „Ohhs“ beigetragen haben und Chris weitere 250 Bilder (gefühlt) im Kasten hat, suchen wir unser Cottage auf. Die Anlage gehört zum Hotel und liegt genau gegenüber des Geysir-Parkes.
Das Cottage ist klein, aber sauber und hat sogar eine Küchenzeile. Immerhin können wir uns einen Kaffee machen. Der Versuch draußen zu sitzen, wird allerdings recht schnell von den Temperaturen zunichte gemacht. Hmmm... ist eben doch nicht Afrika ;-).
Abends versuchen wir unser Glück in der "Kantine" - das Restaurant stünde eh nicht zur Wahl – dort wird eine Hochzeit gefeiert. Und ob wir da mit unseren Trekkingschuhen hinpassen, ist doch die Frage ;-) Die Kantine ist weder verlockend noch einladend. Im Gegenteil: Sie strahlt schmuddelige, lieblose Ungemütlichkeit aus. Das liegt nicht nur an der wenig ansprechenden Präsentation der Speisen, sondern auch an der kläglichen Auswahl. Wir laufen mehrfach rum, schauen uns alles genau an, aber das Angebot wird nicht besser. Und es ist schweineteuer... die „geht-so-Suppe“ von Chris und je ein kleines Sandwiches kosten uns satte 30 Euro. Der Preis ist übrigens das Einzige, was hier als "satt" bezeichnet werden kann... unzufrieden und noch ein bisschen hungrig lassen wir den Tag zu ende gehen.
Am nächsten Morgen stehen wir früh auf, weil Chris den spukenden Geysir bei Sonnenlicht ablichten will. Um 8:00 Uhr öffnet der Park – kurz danach sind wir da und es hat sich gelohnt. Denn nun sind wir fast die einzigen. Das fehlende Publikum hat wohl auch der Geysir bemerkt und sprudelt relativ lustlos in recht großen Abständen. Dann eben nicht! Mir steht der Sinn sowieso viel mehr nach einem Frühstück und meine Erwartungen werden voll und ganz im Geysir Hotel erfüllt. Frisch gestärkt starten wir Richtung Westfjorde. Natürlich hält das gute Wetter nicht an, aber wir sind um jede Minute Sonnenschein dankbar.
Dummerweise habe ich die Idee einen Abstecher nach Arkanes zu machen. Weil ich ein Bild mit hübschen Holzhäuschen im Reiseführer gesehen hatte. Die Enttäuschung ist entsprechend, als wir durch die graue Hafenstadt fahren. Nichts los und die Holzhäuschen sehen auch definitiv anders aus, als auf den Bildern.
Richtig beeindruckend ist der Weg nach Borgarnes: die Wolken zusammen mit der kargen Landschaft sind ziemlich krass.
Wir fahren immer weiter gen Norden und verlassen schließlich die Hauptstrasse, um nach Djupavik entlang der Fjorde zu fahren. Leider ist es grau und durch die karge Mondlandschaft fühlt man sich ein wenig an Mordor aus „Herr der Ringe“ erinnert.
Die Schotterpiste Nr. 643 führt – selbstverständlich ohne Leitplanken – dicht an Fels und Abgrund entlang. Hallo... ich habe Höhenangst! Und ich will nicht in dieser Einöde sterben. Egal – da muss ich wohl durch. Chris meint, ich müsse der Landschaft eine „Chance geben“ (was immer er damit auch meint). Kurze Zeit später gibt er zu, was er hier sieht, sei schon etwas morbide ... ach?! Morbide ist noch nichts gegen das, was einen erwartet, wenn man in die Bucht von Djupavik einbiegt.
Man sieht das rostige Schiffswrack vor der verfallenen Heringsfabrik mit wolkenverhangenem Himmel und grauem Meer. Das ist für mich der Innbegriff von morbide – oder von 10 Gruselfilmen, die mir adhoc einfallen, die ich aber für mich behalte, weil ich „dem Ganzen ja eine Chance“ geben soll...
Von 1935 bis 1954 gab es hier während des „Heringsbooms“ eine Heringsfabrik – seinerzeit die modernste Europas. Die männlichen Arbeiter schliefen auf dem anliegenden Dampfschiff, der M/S Suðurland (dem heute rostigen Wrack) und die Arbeiterinnen in dem Gebäude, das in den 80er Jahren zum Hotel umgebaut wurde. Als die Heringsschwärme sich neue Wege suchten und somit der Fischfang in den 50er Jahren versiegte, ging damit auch die Fabrik zugrunde.
Djupavik hat also außer der Fabrik und dem Wrack noch ein Hotel und 54 Einwohner zu bieten. Das Hotel ist eher ausgefallen. Vollgestopft mit Möbel und Accessoires aus verschiedenen Jahrhunderten, befinden sich sich die Zimmer ohne eigenes Bad im ersten OG. Es wirkt alles ein wenig surreal und auch Chris fühlt sich an die Stimmung in den David Lynch Filmen erinnert.
Allerdings ist man hier ausgesprochen nett und es duftet nach gutem Essen (das – wie sich später raus stellt – auch wirklich ebenso gut schmeckt). Nach einem kurzen Abend und endlich wieder einem Bier, gehen wir schlafen. Denn morgen wollen wir diesen merkwürdigen Ort so schnell wie möglich wieder verlassen.